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50 Jahre Martin Luther King in Berlin

Auszug aus einem Rückblick von Georg Meusel mit persönlichen Anmerkungen von Markus Michael Schulz

30.12.2014

 

Willy Brand besuchte 1960 New York zu Gesprächen mit Kennedy. Nach dieser Tagung besuchte er die Konferenz „americans for demokratic actions“, wo er die Bekanntschaft mit Martin Luther King machte.  Zu diesem Zeitpunkt sprach er eine Einladung nach Berlin aus, die 1964

realisiert wurde.

 

1964         

Willy Brand lud Martin Luther King zur J.F.Kennedy Gedenkfeier nach Berlin ein. King wohnte im Gästehaus des Senats am Wannsee.

 

 

Das Wunder vom Checkpoint Charlie

Kollege Martin Luther King - der Mann, der durch die Mauer ging

Der “Negertheologe” Martin Luther King ohne Pass und Visum in der “Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik”

Martin Luther Kings Ost-Berlin-Besuch vor 50 Jahren, am 13. September 1964

Von Georg Meusel[1]

 

Mit der Kreditkarte durch die Berliner Mauer

"Am 13.9.1964 gegen 19.40 Uhr erscheint der Negertheologe Dr. Martin Luther King ... zur Einreise mit einem VW Bus BZX 27 an unserem KPP”, dokumentiert es Oberst Engelbrecht von den DDR-Grenztruppen gegenüber der Hauptabteilung Passkontrolle und Fahndung des Ministeriums für Staatssicherheit an dem Kontrollpunkt, der im Westen Checkpoint Charlie genannt wird.

 

“In seiner Begleitung befinden sich zwei USA-Bürger ... Diese beiden Bürger geben am Schalter an, dass ihr Kollege, sie nannten keinen Namen, den Reisepass in Westberlin vergessen hat”. Nun, er hatte ihn nicht vergessen. Das US State Department wollte nicht, dass King, der in den USA von seinen Gegnern als “Kommunist” verschrien war, zu den “Kommunisten” reist, und hatte seinen Pass eingezogen. So sein Begleiter und Dolmetscher Ralph Zorn, Pfarrer für die in West-Berlin stationierten US-Truppen, sowie der Friedenskirche Bernauerstr.

 

Wenige Tage vor seinem Berlin-Besuch hatte sich Martin Luther King gegen die Präsidentschaftskandidatur des konservativen Hardliners der Republikaner Barry Goldwater ausgesprochen, der die Bürgerrechtsgesetze zurückschrauben wollte und zur US-Außenpolitik erklärte, mit der Atombombe könne man "prima den vietnamesischen Dschungel entlauben". Dafür wurde King im Zentralorgan der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), dem NEUEN DEUTSCHLAND, hoch gelobt. Doch so nah, dass er in Ost-Berlin predigte, wollte die SED-Führung mit ihrer Ideologie der bewaffneten Revolution und des Befreiungskrieges den afroamerikanischen Bürgerrechtskämpfer mit seiner Gewaltlosigkeit nun auch wieder nicht haben, zumal Parallelen der politisch-ideologische Diskriminierung in der DDR zur rassischen

Diskriminierung in den USA vielen ihrer Bürger längst aufgefallen waren. Wenige Tage zuvor, am 1. September, war das Bausoldatengesetz zur Entkriminalisierung, aber auch zur Kanalisierung der Wehrdienstverweigerer in der DDR, in Kraft getreten und daher das Thema Gewalt und Gewaltfreiheit in vieler Munde. Keine Zeitung, kein Rundfunksender der DDR meldete Kings Ost-Berlin-Besuch. Doch die Mund-zu-Mund-Propaganda in den Kirchgemeinden funktionierte und der West-Berlin-amerikanische Sender RIAS half ein wenig nach.

 

Rund 3000 Menschen standen nichts ahnend. vor dem Portal der Marienkirche am Alexanderplatz, wo sich der Neptunbrunnen befindet, als Martin Luther King am Checkpoint Charlie gerade Richtung Westen umkehren wollte. "Sie wollen jetzt zur Marienkirche zur Predigt", schrieb der DDR-Grenzoffizier weiter in seinen Bericht an die Stasi. "Da der bis dahin noch nicht bekannte Dr. King sich nicht ausweisen konnte, sagten wir ihm, dass er ohne Pass nicht ins demokratische Berlin einreisen kann. Als alle drei Bürger nach West-Berlin zurückgehen wollten, erkannte der Unterleutnant Lindemann den Dr. King."

Und nun folgt das Wunder vom Checkpoint Charlie mit Hilfe eines Engels, der den Engel im Namen führte, aber die Uniform eines Offiziers der DDR-Grenztruppen trug: "Er hielt die drei Personen auf und verständigte den Unterzeichnenden. Danach befragt, ob der Dr. King irgend einen anderen Pass bei sich trage, wies er einen Scheckausweis der USA vor ... Der Ausweis ist gesiegelt und vom Dr. King unterschrieben ...". Mit der Kreditkarte, ohne Pass und Visum, ließ DDR-Oberst Engelbrecht nach Ost-Berlin einreisen.

 

Schüsse in den "stillen Strassen jenseits der Mauer"

Am 12. September 1964 war Martin Luther King der Einladung des Regierenden Bürgermeisters von West-Berlin, Willy Brandt, zu einer Gedenkveranstaltung für den vor rund einem Jahr ermordeten US-Präsidenten John F. Kennedy gefolgt, der kurz zuvor im Westen der geteilten Stadt unter dem Jubel der Massen seinen zur Legende gewordenen Ausspruch "Ich bin ein Berliner" getan hatte. Zum "Tag der Kirche" sprach King am 13. September vor rund 20 000 Zuhörern in der Waldbühne, im Rahmen der "Berliner Festwochen" im Gedenken an Kennedy in der Philharmonie, und besichtigte die Mauer. Die Kirchliche Hochschule verlieh ihm den Ehrendoktortitel. Willy Brandt sprach die Bedeutung Kings auch für die Menschen jenseits der Mauer an: "Ich begrüße Herrn Dr. Martin Luther King, der mit Mut und Maß sein Leben dieser großen Aufgabe gewidmet hat, der Freiheit und seinem Land zu helfen, indem er für die Gerechtigkeit seiner Brüder kämpft. ... Ich wäre froh, wenn von diesem Ort eine Botschaft des Selbstvertrauens und der Hoffnung ausgehen würde zu vielen Völkern, aber auch in "den stillen Strassen jenseits der Mauer", von denen Kennedy sprach. Zu allen Menschen, die über die zuweilen engen Fragestellungen der Politik hinweg einem Leben in Frieden und Freiheit und Würde entgegenstreben."

 

Fast zeitgleich hallen Schüsse durch die "stillen Strassen jenseits der Mauer". Der Flüchtling Michael Meyer wird von fünf Kugeln verletzt und von einem US-Sergeanten mit einem Seil über die Mauer gezogen. Der "Apostel der Gewaltlosigkeit" eilt mit seinen Begleitern zum Ort des Geschehens, wo Einschusslöcher an einer Hauswand zu sehen sind. Der Mauerflüchtling erklärt später, King habe ihn im Krankenhaus besucht. Doch darauf findet sich weder bei King selbst noch bei Zeitzeugen ein Hinweis.

 

Eine verwaiste Kirche mitten in Berlin

Wer ihn denn nach Ost-Berlin eingeladen habe, wurde Martin Luther King am Vortag bei seiner Ankunft gemeinsam mit seinem besten Freund, Reverend Ralph Abernathy, von Reportern gefragt. King bezog sich auf Propst Heinrich Grüber, bekannt geworden durch sein Büro in Berlin, in dem er während des Nationalsozialismus mit gefälschten Pässen Juden zur Ausreise verholfen hatte. Dafür war er in den Konzentrationslagern Sachsenhausen und Dachau inhaftiert worden. Nach dem Krieg sagte er als einziger Zeuge, der Christ war, im Eichmann-Prozess aus. Er wurde

Bevollmächtigter der Evangelischen Kirche bei der DDR-Regierung, bis diese ihm 1958 die Akkreditierung entzog. Nach dem Mauerbau 1961 erfolgte ein Willkürakt, der selbst der Verfassung der DDR widersprach. Grüber als Propst der Ost-Berliner Stadtkirche St. Marien wurde, wie auch der für ganz Berlin zuständige Präses Kurt Scharf, aus der DDR ausgebürgert, 15 Jahre,  bevor dies dem Liedermacher Wolf Biermann widerfuhr.

 

RICHTIGSTELLUNG: Die Einladung nach Ostberlin wurde gegen die Entscheidung der Kirchenleitung OST - namentlich Bischof Schönherr, Bischof Mitzenheimer - in alleiniger Verantwortung des GENERALSUPERINTENTENTEN Gerhard SCHMITT, Dienstsitz Berlin Lichtenberg, Nöldnerstraße - ERLÖSERKIRCHE vollzogen.

Quelle: Privatarchiv Michael M. Schulz

 

Ein Pfarrer der Marienkirche war im Gefängnis (Anm. M. Schulz: PASTOR Arnold), weil er Menschen zur Flucht nach dem Westen verholfen hatte, der andere war in den Westen übergesiedelt, (Anm. M.Schulz: der 3., Fritz Führ war an Herzinfarkt im Nov. 63 gestorben) so dass keiner der drei Geistlichen der gastgebenden Kirchgemeinde anwesend war, als Martin Luther King eine Gasse durch die wartende Menge vor dem Portal gebahnt wurde. Der gerade neu ins Amt (Anm. M. Schulz: seit 6 Wochen; durch Bischof Dr. Dibelius- Westberlin) berufene (Anm. M. Schulz: General-) Superintendent Gerhard Schmitt übernahm (Anm. M. Schulz: mit Rolf Dammannn  Generalsekretär der BAPTISTEN-OST) die Begrüßung des Gastes aus den Vereinigten Staaten.

 

(Anm. M. Schulz: "Kinder Gottes zu beiden Seiten der Mauer") - "Aus dem Fels der Verzweiflung einen Stein der Hoffnung hauen"

Von den wartenden 3000 konnte nur die Hälfte in das Gotteshaus am Neptunbrunnen gegenüber dem Roten Rathaus eingelassen werden. Doch spontan wurde zu nächtlicher Stunde noch ein zweiter Gottesdienst mit dem schwarzen Bürgerrechtskämpfer angesetzt. Nachdem der Chor des

"Paulinums", kirchliche … Ausbildungsstätte für Theologen, die nicht an den Universitäten der DDR studieren durften, Gospels gesungen hatte, trat atemlose Stille ein, als Martin Luther King auf der Schlüter-Kanzel der seit Jahrhunderten renommiertesten Kirche Berlins seine fast prophetische Predigt begann:

 

"Meine lieben christlichen Freunde in Ost-Berlin ... Zu beiden Seiten der Mauer leben Gottes Kinder und keine von Menschenhand errichtete Grenze kann diese Tatsache auslöschen".

 

Dann berichtete er von der schwarzen Näherin Rosa Parks, die sich 1955 in Montgomery/Alabama eines Tages geweigert hatte, im Bus ihren Sitzplatz einem Weißen frei zu machen, Auslöser für den 361 Tage währenden Busboykott von Montgomery, der die Rassendiskriminierung in den USA in Zeitungen und die ersten Fernsehbildschirme in aller Welt öffentlich machte. Kings weißer Amtskollege aus West-Berlin, der sonst den GIs  (Anm. M. Schulz: und in der Friedenskirche BERLIN West Bernauerstr.) predigte, übersetzt in holprigem Deutsch. King spricht von dem gemeinsamen Glauben und wagt Worte, die für die DDR, wo christlicher Glaube hinter Kirchenmauern verbannt wurde, unerhört sind:

 

"Das ist der Glaube, den ich euch anbefehle, ... ein lebendiger, aktiver, großer, öffentlicher Glaube, der uns den Sieg Jesu Christi bezeugt in der Welt, ob es eine östliche oder westliche Welt sei. In diesem Glauben werden wir aus dem Fels der Verzweiflung einen Stein der Hoffnung hauen. ... In diesem Glauben werden wir miteinander arbeiten, miteinander beten, miteinander kämpfen, miteinander leiden, miteinander für die Freiheit aufstehen in der Gewissheit, eines Tages frei zu sein".

 

Gebannte Stille, geklatscht hat zu dieser Zeit noch niemand in einer deutschen Kirche. Doch was in Köpfen und Herzen von DDR-Bürgern geschah, die King im September 1964 erlebten, ist kaum zu ermessen. Eine damals junge Frau erklärte Jahrzehnte später: "Ich habe nicht alles verstanden, was Martin Luther King sagte, aber dieser Mann mit seiner Predigt hat mein Leben verändert".

 

MICHAEL SCHULZ

Martin Luther King jr. Memorial Berlin Komitee                     

Hauptstraße 125      

10827 Berlin

Mobil +491627902516    

MARTIN LUTHER KING MEMORIAL BERLIN

SCLC- ATLANTA    KOMITEE



[1] http://www.martin-luther-king-zentrum.de/mlkz/index.php  ·  http://www.lebenshaus-alb.de/magazin/008756.html

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